Demenzfreundliche Trauerrednerin - Michaela Burch

Die Ausbildung „demenzfreundliche Trauerrednerin“ – braucht es das wirklich?

Ja, so eine Ausbildung „demenzfreundliche Trauerrednerin“ bzw. „demenzfreundlicher Trauerredner“ braucht es wirklich, denn in Deutschland leben derzeit 1.650.000 Demenzkranke. 

Und diese Zahl wird noch kräftig ansteigen in den nächsten Jahren. Sie leben „solange wie möglich“ zu Hause und das auch noch eher „länger als möglich“. Dabei werden sie häufig von ihren Angehörigen /ihren Partner:innen gepflegt. Oder sie ziehen (gemeinsam) in ein Pflegeheim.

Was macht einen demenzfreundliche Trauerrednerin?

Und ich möchte hier gleich feststellen, dass ausgebildete und auf Demenz spezialisierte Pflegekräfte einen richtig guten Job machen. Aber sie sind leider bei der Trauerfeier und dem vorherigen Trauergespräch häufig nicht dabei. Dabei wäre eine Zusammenarbeit in diesem Fall grandios.

Wenn dann aber jemand aus der Familie stirbt, zum Beispiel der/die Partner:in, ein Kind, die Schwester, der Bruder, der/die Enkel:in, dann haben die Angehörigen viele Fragen, Ängste, Schamgefühle. Und das nicht nur an das Pflegepersonal. 

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man sich – je nach Intensivität und Fortgeschrittenheit der Demenz – vielfach als Angehöriger ärgert über die vermeintliche „Vergesslichkeit“, das „Anders-Werden“, das Fluchen, Schimpfen, Aufstehen und Zwischenrufen des Demenzkranken. Dass man sich schämt, weil die demente Person „peinlich reagiert“.

Irgendwann verdreht man gedanklich nur noch die Augen und wird ungeduldig, ruppig, ungerecht. 

Wir betroffene Angehörige sind häufig einfach überfordert. Und haben dann eine Blockade im Kopf und sind davon absolut überzeugt, dass die demenzkranke Person das doch sowieso alles gar nicht mehr kapiert. Dabei ist Demenz einfach mehr als eine Gedächtnisstörung, Gedächtnisverlust oder Denkstörung. 

Demenz verändert das Gefühlsleben der Betroffenen tiefgreifend und nachhaltig. Die Folge: Scham, Angst, Hilflosigkeit und andere negative Gefühle. Nicht nur auf der Seite der Angehörigen, sondern auch auf der Seite der dementen Person.

Spätestens beim Tod eines Familienmitglieds stellen sich die Angehörigen häufig die Fragen „Erzählen wir es Papa/Mama?“, „Nehmen wir Mama/Papa mit zur Trauerfeier?“ „Wie schützen wir sie/ihn denn?“ Auf einmal sind diese noch vor größere Herausforderungen gestellt als sonst schon.

Soll die demente Person mit eingebunden werden?

Von mir als demenzfreundliche Trauerrednerin kommt hier ein ganz deutliches Ja 👍

Und wissen Sie warum? „Das Herz bekommt keine Demenz“ sagt auch das Buch von Dr. Udo Baer und Gabi Schotte-Lange. Die demente Person versteht vielleicht verstandesmäßig nicht mehr wirklich, was jetzt passiert ist. Aber das Gefühl ist vorhanden. Auch wenn sie die verstorbene Person vielleicht nicht mehr erkennt, sie weiß intuitiv, dass etwas anders ist und jemand fehlt.

Häufig ist es so, dass für sie und über sie entschieden wurde, ohne dass sie ihren Willen äußern konnte. Nicht nur in dem Fall einer Beerdigung / Trauerfeier, sondern generell. Dabei sollte einfach der Blick auf die Innenwelten der dementen Person gelenkt werden und ganz besonders auf das Herz dieser Menschen. Aber wie funktioniert das denn? Man muss wissen, wie man auf diese Personengruppe eingehen kann.

Im Buch „Das Herz bekommt keine Demenz“ wird es gut erklärt
In dem vorgenannten Buch erzählen die Autoren folgende Geschichte und erklären diese später auch: „Als ich Anfang der 80er-Jahre in einem Altenheim am Niederrhein eine kreativ-therapeutische Gruppe mit an Demenz erkrankten Menschen leitete, befand sich unter den Teilnehmenden eine Frau Mitte 70, deren demenzielle Erkrankung fortgeschritten war. Sie sprach nur zwei, drei Worte am Tag, reagierte sehr selten auf Ansprache, war desorientiert, kannte weder ihren Namen noch den anderer. Ihr Körper wirkte verworren. Wie ein Knäuel lagen Arme und Beine über- und umeinander und sie versuchte immer wieder, sie zu entwirren. Ich legte eine Tango-Musik auf, ging auf sie zu und setzte mich ihr gegenüber. Meine Hände griffen nach ihren Händen. Ich beabsichtigte, mit ihr sitzend den Tango zu tanzen, indem ich ihre Hände bewegte, hoffend, dass sie mit ihren Händen sich daran beteiligen könne. Sie schaute mich an, als sie die ersten Takte des Tangos hörte. Dann stand sie in einer fließenden Bewegung auf, ergriff mich und schob mit mir einen Tango durch den Raum–mit mir, der ich nie die Tango-Schrittfolgen behalten konnte. Sie tanzte mit mir, bis die Musik verklang. Dann verbeugte sie sich vor mir und sagte: »Ich danke Ihnen, junger Mann.« Anschließend setzte sie sich und lächelte vor sich hin.

Was erzählt uns diese Geschichte? Sie erzählt uns, dass es mehr als ein Gedächtnis des Denkens gibt. Die Frau, die den Tango tanzte, erinnerte sich nach diesem Geschehen immer noch nicht an ihren Namen oder den Namen des Tanzpartners. Aber ihr Körper erinnerte sich, ihre Arme und Beine, die sonst eher unkoordiniert waren, erinnerten sich daran, wie sie den Partner halten und mit ihm gemeinsam einen Tango tanzen konnten. Offensichtlich verfügte sie über ein Körpergedächtnis, das funktionieren konnte, auch wenn das Gedächtnis des Denkens beschädigt war.“

Quelle: „Das Herz bekommt keine Demenz“ sagt auch das Buch von Dr. Udo Baer und Gabi Schotte-Lange

Tanze ich jetzt mit den demenzkranken Angehörigen?

Ich glaube, das ist keine so gute Idee. Habe ich doch schon alle Schritte vergessen, die ich vor Ewigkeiten in der Tanzschule gelernt habe. Aber die Erinnerung daran kann ich als demenzfreundliche Trauerrednerin beispielsweise wecken.

Ich habe während meiner zweitägigen Schulung Ende März 2022 gelernt, wie man besser mit einer dementen Person umgeht. Was man tun kann und was man besser lässt. Wie man sie eben einbindet, einbinden kann und was sie überfordert. 

Durch diese Expertise kann ich den Angehörigen die Angst nehmen, ob sie die demente Person mitnehmen sollen zur Trauerfeier oder ob sie ihr/ihm überhaupt erzählen sollen, dass jemand aus seiner eigenen Familie gestorben ist.

#mitfeingefühl

Das Erzählte bleibt bei mir.

Demenzfreundliche Trauerrednerin Michaela Burch – Zertifikat

Meine Empfehlung als demenzfreundliche Trauerrednerin ist folgende ➡️

Nehmen Sie bitte die demente Person mit zu einer Trauerfeier.

Schenken Sie ihr diesen gemeinsamen Moment mit Ihnen zusammen beim Abschiednehmen.  Auch sie soll sich von dem Menschen verabschieden können, der jetzt fehlt. Auch wenn das Gedächtnis sie/ihn vielleicht gar nicht mehr an diese Person erinnern lässt. Und wenn wir feststellen, dass es einfach nicht gehen kann, dann sollten wir über eine Alternative zur Trauerfeier sprechen.

Möglichkeiten gibt es immer.

Oder möchten Sie irgendwann sich selber „vorwerfen“, dass Sie einfach entschieden haben, dass diese Person nicht dabei sein kann oder darf? Ich weiß aus eigener Erfahrung, was das mit einem macht. Und eben nicht nur aus meiner Erfahrung als feie Trauerrednerin.

Warum habe ich jetzt diese Weiterbildung gemacht?

Berlin ist immer eine Reise wert, aber das war natürlich nicht der einzige Grund. Auch wenn ich an diesem Wochenende einen wunderschönen kleinen, alten Waldfriedhof in Berlin – Oberschöneweide gefunden habe.

Ein weiterer Grund: Dadurch, dass meine Mama wahrscheinlich (es wurde nie wirklich abschließend untersucht) eine Form der Demenz hatte und ich häufig ungehalten und unverständig reagiert habe, und ich auch bereits die eine oder andre Trauerfeier und das dazugehörige Trauergespräch hatte, wo ein dementer Angehöriger nicht dabei sein durfte, regte sich in mir ein gewisser Unmut über diese (auch meine) Reaktionen und Entscheidungen.

Als ich dann dieses Seminar von Sybille und Koert gefunden hatte in den großen Weiten des www, war mir in Sekunden klar, dass das genau das ist, was ich lernen möchte.

Ich wollte einfach mehr wissen. Wissen, das ich brauche, damit ich alle Angehörigen in einem Trauergespräch und in einer Trauerfeier einbinden kann und darf. Und jetzt bin ich eine demenzfreundliche Trauerrednerin – eine der ersten in Deutschland 😊

Vier Teilnehmer:innen waren wir, bei der ersten Ausbildung damals, zwei davon aus Bayern und eine davon bin ich. Ich bin ehrlich – ich bin stolz darauf. Und ich freue mich unheimlich über die Chancen, die sich jetzt damit für mich aufgetan haben bzw auftun werden. Denn mit dieser Weiterbildung „demenzfreundliche Trauerrednerin“ habe ich mich weiter spezialisiert.

Und von anderen Rednerkollegen*innen abgehoben. Das ist der dritte Grund, warum ich diese Weiterbildung gemacht habe 😇

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