Sicher fragt sich die oder der ein oder andre schon, warum ich gerade in der letzten Zeit so häufig auf Instagram auf dem “Individuell”bei Trauerreden rumreite. Das möchte ich heute ein wenig genauer erklären.
Durch meine Tätigkeit als Trauerrednerin und auch als Ausbilderin für zukünftige Trauerredner*innen habe ich schon viele Redner*innen kennenlernen dürften. Teilweise in einem Verband oder einer Agentur gebündelt, und teilweise einfach als Einzelkämpfer unterwegs. Ja, jeder dieser Redner*innen ist individuell. Bezweifle ich in keinster Weise. Sie oder er als Person definitiv schon. Aber wenn man sich dann auch in dem ein oder andren Trauerrednerforum umschaut, dann merkt man irgendwann, dass es die Reden nur teilweise sind. Und ja, auch hier gibt es ganz viele andre. Wirklich individuelle Redner*innen. Die absolut individuelle Trauerreden oder Lebensreden halten. Aber leider eben nicht alle.
Da kommen gerne eher kreativlose Antworten in den Foren auf Fragen wie die folgende “Ich suche Anregungen für die Rede für einen Mann, der Mitte 50 verstorben ist. Es gibt so gut wie niemanden, der ihm nahe stand.” Und schon bei dieser Frage ist mir klar, dass spätestens als zehnte Antwort kommt “Nimm doch den Zug des Lebens als Bild.” 🙈
Ja, der Zug des Lebens oder der Garten des Lebens oder das Museum des Lebens oder der Weg ganz allgemein und noch vieles andre auch, sind Metaphern, die gerne genommen werden. Ich habe auch eine Weiterbildung selber gemacht, in der genau das als die Weisheit überhaupt vermittelt wurde. Aber sind wir doch mal ehrlich: wenn die verstorbene Person gar nicht gerne Zug gefahren ist, sondern lieber Auto fuhr (was ja jetzt keiner weiß, weil ja es so gut wie niemanden gibt, der ihm nahe stand), und mir sagt das keiner, dann greife ich doch mit so einer Metapher echt ins Klo oder nicht?
Jeder ist anders, jeder ist individuell
Jede*r Redner*in und auch jede verstorbene Person ist individuell. Und genau deswegen braucht es in meinen Augen auch Reden, die es eben auch sind. Die nahezu perfekt zur verstorbenen Person passen. Auch wenn ich mit niemandem sprechen konnte, der viel über diesen Menschen weiß.
Klar, ich könnte jetzt über die Zeit seiner Geburt reden, über die Zu- und Umstände damals, über Erfindungen von damals, über die Number One-Hits des Geburtstags. Es gibt unzählige Ansätze, um eine Rede individuell zu machen. Es muss nicht über ein Bild, eine Metapher geredet werden, die wahrscheinlich schon 8 Mal gehört wurde.
Diese typischen Züge, Wege, Museen, Gärten werden so verdammt oft verwendet, dass man diese – wenn man leider öfter auf Beerdigungen muss – garantiert nicht nur einmal hört. Ja, natürlich geht es auch in dieser Rede um die verstorbene Person. Hoffentlich über all das, was sie/ihn ausgemacht hat oder was “sein Leben” war. Seine Hobbys, Leidenschaften, worüber man mit der Person streiten konnte und worüber lachen… Und noch so verdammt vieles mehr.
Und doch hört man das gleiche Bild. Gefühlt wie in der Kirche, wenn der Pfarrer “immer das Gleiche erzählt”, wie wir Redner*innen ja gerne behaupten. Weil halt gerade in der katholischen Kirche ein ganz anderer Auftrag seitens der Kirche besteht als bei uns freien Rednern. Dabei gibt es auch individuelle Pfarrer. Leider zu wenige, wenn wir ehrlich sind. Auch wenn wir natürlich unsere Daseinsberechtigung haben, weil eben die Angehörigen nicht mehr von der Kirche und dem Bodenpersonal begeistert sind beispielsweise. Oder die/der Verstorbene ausgetreten ist. Oder nie getauft wurde.
Sogar Steine sind absolut individuell
Schau dir das Foto einmal genau an. Ja, ich gebe zu, ich habe die Steine, die ich wahllos aus einem Steinbruch bei uns in der Nähe mitgenommen habe, nass gemacht. Aber warum? Nass erkennt man Farben und Muster deutlich besser als trocken. Jeder der Steine auf dem Foto sieht anders aus. Alle sind absolut individuell. Keiner gleicht dem andren. Aber je trockener sie werden, desto mehr gleichen sie sich an.
Nicht einmal die gleichfarbigen Steine sind gleich. Sie unterscheiden sich in der Form, der Größe, in der Maserung. Manch einer ist abgesplittert oder gebrochen, manch einer ganz rund. Der eine liegt irgendwie angenehm in der Hand, der andre stört uns dort sogar. Manch einen registriere ich nicht einmal richtig, weil er so klein ist und der andre springt mir richtig ins Auge.
Dem einen oder andren Betrachter gefallen vielleicht die dunklen Steine wahnsinnig gut – egal, wie die Form ist. Andre finden die roten Steine toller. Und so ist es doch auch mit uns Menschen. Den einen finde ich faszinierend, den andren eher langweilig. Und trotzdem ist keiner gleich zu einem anderen. Sogar eineiige Zwillinge unterscheiden sich in Kleinigkeiten.
Aber wo kann ich denn Steine überhaupt finden? Warum sind sie denn alle anders? Aus was für einem Material bestehen sie? Welche Farbe haben sie? Sind sie rund oder kantig? Sind sie einfarbig oder haben sie Einschlüsse? So verdammt viele Unterschiede zwischen ihnen.
So gesehen wäre das schon eine tolle Metapher, wenn man nicht weiß, über was man reden soll. Da brauche ich nichts nutzen, was (sogar durch mich eventuell) schon oft gesagt wurde. Da muss es eben nicht um abgedroschene, ausgelutschte Metaphern gehen. Und nochmal: wenn jemand den Traum hatte eine Zugfahrt zu machen, dann passt die Zugfahrt des Lebens perfekt. Aber ich kann sie auch individueller machen. Nicht allgemein.
Genau darum gehts - nicht allgemein
Ich muss keinen allgemeinen Sermon erzählen oder vorlesen. Als Einstieg vielleicht, weil es passt und man die Zuhörer erst einmal aufs Thema einnorden will und muss. Weil man nichts über den Menschen erzählen soll. Und doch – die An- und Zugehörigen, die bei der Trauerfeier anwesend sind, haben einen individuellen Menschen verloren. Mit einer ganz eigenen Geschichte, mit eigenen Vorlieben, eigenen Befindlichkeiten, eigenen Beschränkungen, eigenen Hoffnungen, eigenen Träumen und auch Alpträumen.
Und genau deswegen ist es mir ganz persönlich so unheimlich wichtig, dass auch das, was ich erzähle – also auch mein genutztes Bild – nichts oft Hergenommenes ist, sondern etwas, was wirklich zur verstorbenen Person passt. Dafür muss ich vielleicht länger und intensiver zuhören als bei Standard-Metaphern. Mag sein, dass einigen Redner*innen das zu viel Aufwand ist. Weil sie andre Schlagzahlen abarbeiten wie ich. Und auch das ist für mich individuell…. dass ich eben keine Fließbandarbeit mache. Wenn ich von Kollegen höre, dass sie zwischen 400 und 800 Trauerfeiern im Jahr machen, dann schüttelt es mich. Das ist in meinen Augen nur machbar, wenn ich entweder allgemein rede oder ein Bild häufig nutze. Meines ist das nicht. Ich hoffe, dass ich mich bei den angesprochenen Kollegen dabei irre.
Individualität bei einer Trauerfeier ist Ihnen wichtig?
Dann freue ich mich schon jetzt, wenn Sie Kontakt zu mir aufnehmen.
Gemeinsam können wir uns überlegen, was die Trauer- oder Lebensfeier wirklich individuell macht. Manchmal machen ja auch die Kaffeebohnen oder Trockenblumen zur Verabschiedung am Grab alles schon individuell. Oder der Eierlikör am Grab. Oder eine handbemalte Urne oder eine selbstgewalkte oder der von der Familie selbst gestaltete Sarg. Genauso wie ein Blumenschmuck, der so nicht unbedingt im Katalog der Floristen zu finden ist. Und auch die Kleidung bei der Beisetzung oder Trauerfeier kann diesen Tag einfach mega individuell machen. Vielleicht findet die Trauerfeier oder letzte Lebensfeier ja auch gar nicht am Friedhof statt, sondern im Lieblingscafé, im Fußballstadion, im eigenen Garten, im Kino oder an einem anderen Ort, den die verstorbene Person mochte? Ein Beispiel finden Sie auch hier: Darf eine Trauerfeier auch anders sein? Und ein weiteres Beispiel noch hier: Alternative für eine Trauerfeier in der Aussegnungshalle
Ich liebe es, wenn Individualität eine Rolle spielen darf 💖 Und sogar Sie selber noch die eine oder andre Umsetzungsidee haben. So wie die Schwester des Verstorbenen auf dem Bild hier daneben. Da sollten es Herbstdinge sein zum Hineinwerfen ins Grab. Und eben nicht nur Blütenblätter und Erde.